Das Modell der Salutogenese von Antonovsky ist eine komplexe Theorie der Gesundheit mit vielen Einflussfaktoren und Wechselwirkungen. Sie ist daher empirisch schwierig zu untersuchen, oft nur in Teilen abzubilden. Dennoch zeigen die zahlreichen Studien der internationalen Salutogenese-Forschung, dass sich wesentliche Annahmen des Modells bestätigen lassen (vgl. Faltermaier 2023). Das Kohärenzgefühl korreliert positiv mit Indikatoren von Gesundheit, insbesondere mit psychischer Gesundheit (vgl. Eriksson & Lindström 2006) – was sich in sehr aussagefähigen Längsschnittstudien und in repräsentativen Stichproben der Bevölkerung zeigt, die vor allem im skandinavischen Raum durchgeführt wurden (vgl. Faltermaier 2023; Mittelmark et al. 2016). Ein hohes Kohärenzgefühl trägt zudem zu einer besseren Bewältigung von einer Vielzahl von Belastungen im Leben bei (kritische Lebensereignisse, Arbeitsbelastungen, Krankheiten), wirkt also als Moderator zwischen Stressoren und Gesundheit (ebd.).

Angesichts der epidemiologischen Befunde, dass Krankheiten nicht die Ausnahme darstellen, sondern ein großer Teil der Bevölkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt krank ist, stellt die Erhaltung von Gesundheit die eigentliche Aufgabe dar. Die zentrale und bisher kaum beantwortete Frage sei daher, wie Gesundheit entsteht (salus = gesund; genese = Entstehung), wie Menschen trotz Risiken und Stressoren gesund bleiben und ihre Gesundheit fördern können.

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Zitierhinweis: Faltermaier, T. (2023). Salutogenese. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.

Bauer, G.F., Roy, M., Bakibinga, P., Contu, P., Downe, S., Eriksson, M. et al. (2020). Future directions for the concept of salutogenesis: a position article. Health Promotion International, 35, 2, S. 187-195.

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Mittelmark, M.B., Sagy, S., Eriksson, M., Bauer, G.F., Pelikan, J.M., Lindström, B. et al. (2016). Handbook of salutogenesis. New York: Springer.

Der Begriff „Salutogenese“ markiert eine zentrale theoretische Perspektive in den Gesundheitswissenschaften und eine bedeutsame Praxisorientierung insbesondere im Feld der Gesundheitsförderung. Er wurde vom Begründer der Salutogenese, dem amerikanisch-israelischen Gesundheitswissenschaftler Aaron Antonovsky (1923–1994) als Gegenbegriff zur Pathogenese eingeführt und in einem komplexen Modell ausformuliert. In seiner Begründung argumentiert er, dass Erkenntnisfortschritte über die Gesundheit der Bevölkerung nur dann zu erwarten seien, wenn wir uns nicht ausschließlich auf die Frage der Pathogenese konzentrieren, also warum Krankheiten entstehen und wie sie behandelt werden können.

Das Modell der Salutogenese wurde vom Gesundheitswissenschaftler Aaron Antonovsky als Alternative zur Pathogenese eingeführt und ist eines der wichtigsten Modelle zur Erklärung von Gesundheit. Es soll die Frage beantworten, wie Gesundheit entsteht, wie Menschen trotz Risiken gesund bleiben können und wie in der Praxis ihre Gesundheit gefördert werden kann. Das Modell basiert auf einem Verständnis von Gesundheit und Krankheit als Kontinuum, es soll Bewegungen auf diesem Kontinuum erklären. Als Determinanten von Gesundheit werden Stressoren, die Art ihrer Bewältigung und verfügbare Widerstandsressourcen herangezogen. Ein Schlüsselkonzept ist das Kohärenzgefühl, das sich im Laufe des Lebens auf der Basis von Ressourcen entwickelt und aussagt, ob das eigene Leben als verstehbar, bewältigbar und sinnhaft erlebt wird.

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Das Modell der Salutogenese von Antonovsky (1979, 1987/1997) beschreibt ein komplexes Gefüge von Bedingungen, die Gesundheit (und nicht Krankheit) erklären sollen (vgl. Abb. 1).

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Der Ansatz der Salutogenese zeigte große Attraktivität für die Praxis im Gesundheitssystem und wurde vor allem eine bedeutsame Grundlage für neue Ansätze und die Bewegung zur Gesundheitsförderung. Die von der WHO 1986 formulierte Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung trägt ganz wesentlich Züge der Salutogenese. Sie setzt auf die Förderung von Ressourcen, auf positive Gesundheitsziele und auf die Beteiligung (Partizipation) und Befähigung (Empowerment) der Menschen zur Stärkung ihrer Gesundheit (Bauer et al. 2020; Faltermaier 2018; Faltermaier & Wihofszky 2012). Die Salutogenese stellt somit ein für die Theorie, Forschung und Praxis der Gesundheitsversorgung bedeutsames und innovatives Konzept dar, das für die Gesundheit der Bevölkerung hohes Potenzial hat und in der wissenschaftlichen Entwicklung noch lange nicht ausgeschöpft ist.

Faltermaier, T., & Wihofszky, P. (2012). Partizipation in der Gesundheitsförderung: Salutogenese – Subjekt – Lebenswelt. In: Rosenbrock, R. & Hartung, S. (Hrsg.). Handbuch Partizipation und Gesundheit (S. 102–113). Bern: Huber.

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Dennoch ist Antonovskys Formulierung der Salutogenese nur als ein erster Entwurf zu verstehen, der vier Dekaden nach seiner Entstehung erweitert und ergänzt werden muss, um Gesundheit noch besser zu erklären. Die internationale Salutogenese-Forschung hat daher kritische Punkte und zentrale Themen formuliert, die für die Weiterentwicklung des Modells und für die Praxis der Gesundheitsförderung wesentlich sind (vgl. Bauer et al. 2020). Dazu gehören etwa die Erfassung des Gesundheits-Krankheits-Kontinuum in seinen positiven Ausprägungen und die Weiterentwicklung des Kohärenzgefühls als Konstrukt (z. B. über individuelles hinaus zu kollektivem Kohärenzgefühl) und seiner Messoperationen (mit Ansätzen, die über ein Fragebogeninstrument hinausgehen). Kritisiert wird zudem die fehlende Subjektebene im Modell, insofern Gesundheit auch durch aktive Bemühungen der Menschen (Gesundheitsverhalten) auf der Basis subjektiver Vorstellungen im Laiensystem hergestellt werden kann (Faltermaier 2023) (Subjektive Gesundheit: Alltagskonzepte von Gesundheit; Gesundheitsverhalten, Krankheitsverhalten, Gesundheitshandeln).

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Faltermaier, T. (2018). Salutogenese und Ressourcenorientierung. In: Kohlmann, C.-W.; Salewski, C. & Wirtz, M. A. (Hrsg.). Psychologie in der Gesundheitsförderung (S. 85–97). Bern: Hogrefe.

Antonovsky hat sich in zwei Monographien (Antonovsky 1979, 1987/1997) dieser Frage der Salutogenese intensiv gewidmet und aus dem damaligen Erkenntnisstand heraus ein Modell der Salutogenese formuliert, das umfangreiche Forschungen weltweit stimuliert hat und zur Entwicklung von neuen Praxisansätzen führte; es hat insbesondere wichtige Impulse und zentrale theoretische Grundlagen für die Gesundheitsförderung gegeben.

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In den Grundzügen lässt sich das Modell der Salutogenese durch vier Komponenten und ihre Wechselwirkungen beschreiben (vgl. Antonovsky 1979; 1987/1997; Faltermaier 2023).

Faltermaier, T. (2023). Gesundheitspsychologie. Grundriss der Psychologie, Band 21. 3., aktualisierte Auflage, Stuttgart: Kohlhammer.

© BZgA Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist eine Fachbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.

Bengel, J., & Lyssenko, L. (2012). Resilienz und psychologische Schutzfaktoren von Gesundheit im Erwachsenenalter. Köln: BZgA.

In neuerer Zeit wird mit der Resilienz (Resilienz und Schutzfaktoren) vor allem im populärwissenschaftlichen Bereich ein Konzept vertreten, das ursprünglich aus der Entwicklungspsychologie stammt und große Nähe zur Salutogenese aufweist. In der Tat zeigt die Resilienz als psychische Widerstandskraft gegen Überbelastungen oder die empirisch erkannten psychischen Schutzfaktoren deutliche Ähnlichkeiten zur Stressbewältigung und zu den Widerstandsressourcen in der Salutogenese (vgl. Bengel & Lyssenko 2012). Dennoch kann das Konzept der Resilienz die Salutogenese nicht ersetzen, weil es keine umfassende bio-psycho-soziale Theorie der Gesundheit darstellt und wissenschaftlich bisher vor allem auf die psychische Entwicklung von Menschen bezogen wurde.

Darüber hinaus wird angemerkt, dass das Modell die sozialen Unterschiede bei der Gesundheit zu wenig berücksichtigt, also nicht konkret erklärt, wie und warum Gesundheit nach sozioökonomischem Status, Geschlecht, Alter und Kultur variiert. Schließlich wird die Annahme Antonovskys infrage gestellt, dass sich das Kohärenzgefühl nur bis zum 30. Lebensjahr aufbaut und dann kaum mehr verändert. Hier zeigen neuere Studien, dass sich das Kohärenzgefühl von Menschen auch in mittleren und späteren Lebensphasen noch deutlich wandeln kann (ebd.). Insofern sind Weiterentwicklungen des Modells der Salutogenese möglich und notwendig, sie werden von internationalen Expertengruppen vorangetrieben und münden z. B. in Konzeptionen wie die von Faltermaier (2023), der ein integratives Modell der Salutogenese vorgeschlagen hat.

Eriksson, M. & Lindström, B. (2006). Antonovsky’s sense of coherence scale: a systematic review. Journal of Epidemiology & Community Health, 60, S. 376-381.